Wild im Herzen

Für sein 50-jährigens Jubiläum wartet Jackson Hole mit zahlreichen Extras auf, ohne jedoch sein Cowboy-Flair zu verlieren.

„Truck eins“, brüllt Brad Corbin in ein Motorola-Funkgerät. „Mausefalle unterwegs zum Croakie Point.“ Das Funkgerät knistert und eine andere Stimme brüllt zurück: „Truck zwei. Am Stone Phone Booth. Wir treffen uns am Croakie Point.“

Mit der Selbstsicherheit eines Mannes, der sich in seinem Gebiet auskennt, bewegt sich Corbin, der Seilbahnleiter des Jackson Hole Mountain Resort, in einem Geländewagen, der zum Teil mit Pflanzenöl betrieben wird, hoch zum Gipfel des Crags – steiles, unwirtliches Terrain, das zuvor nur für wagemutige Abenteurer zugänglich war, die sich trauten, hochzuwandern und mit den Ski herunterzufahren. Er spricht in einer Sprache, die den topografischen Gegebenheiten der Gegend entlehnt ist (Stone Phone Booth ist eine Einbuchtung in einem alten abgestürzten Felsen) und derer man sich bedient, um andere Fahrer im Falle eines Engpasses auf seinen eigenen Standort aufmerksam zu machen, oder vor einem Bagger im Rückwärtsgang zu warnen.

In nur einem Monat ist Thanksgiving, der Eröffnungstag des Resorts und der Beginn der 50. Saison. Bis dahin müssen die Mechaniker und Seilbahnbetreiber des Skigebietes mit allem fertig sein. Wir sind auf dem Weg zur Inspektion des Teton Lifts, eines neuen Hochgeschwindigkeitslifts für vier Personen, der Crags Run für Skifahrer aller Kompetenzstufen eröffnen wird und dazu führen wird, dass Jackson Hole zum vierten Mal in Folge an der Spitze der Forbes-Liste der besten Skiresorts in Nordamerika steht.

Der Weg unter uns ist schmal, seine Serpentinen erinnern an Büroklammern und die zerklüftete, mit losen Steinen übersäte Oberfläche sieht wie lauter kleine Lawinen aus. Es gibt keinen Randstreifen – ein versehentlicher Ausrutscher und das Pflanzenöl-Mobil mitsamt seinen Fahrgästen fällt 490 Meter in die Tiefe auf den gefrorenen Grund, der mit braunem bereiftem Gras und hervortretenden Granitfelsen bedeckt ist. Ein Pritschenwagen befördert eine schwere Ladung Gipskartonplatten zum Piste Mountain Bistro, dem neuen Lokal unterhalb des renommierten Couloir Restaurants. Mit Vorräten beladene ATVs heizen über die schneelosen Stege, und Schneekanonen besprühen die Pisten mit dem weißen Nebel, der die Grundlage für die 12 Meter Schnee bilden wird, die jährlich im Durchschnitt fallen.
                            Jackson Hole wurde auf einer Rinderfarm gegründet und erinnert sich noch heute gern an seine Wurzeln als Pionierstadt
Jackson Hole wurde auf einer Rinderfarm gegründet und erinnert sich noch heute gern an seine Wurzeln als Pionierstadt

Wir fahren im Zickzack um majestätische Douglastannen, weißstämmige Kiefern und schlanke Espen zur Bergstation des Teton Lifts. Die Sessel hängen bewegungslos über der hauchdünnen künstlichen Schneedecke, während die schroffen Gipfel der Teton Range gen Himmel ragen. Teton Range ist eine der jüngeren Felsformationen der westlichen Halbkugel. Die schroffen Felswände sind das Ergebnis von Spannungen und Reibungen entlang einer vor 10 Millionen Jahren entstandenen Verwerfung. Die Gipfel sind mit feinem Schnee bedeckt. So auch die des weiter östlich liegenden Sleeping Indian, eines der berühmtesten Naturwahrzeichen der Region, der in dieser Zwischensaison einen ruhigeren Anschein macht als sonst.

Der Teton Lift ist die wichtigste Neuerung in Jackson Hole seit der Eröffnung von Big Red im Dezember 2008. Diese glänzend rote 28-Millionen-Dollar-Seilbahn kann 600 Personen pro Stunde zum 3200 Meter hohen Berggipfel Rendezvous Mountain befördern. Nach drei Jahren Bauzeit wird der Teton Lift mit vier Skifahrern pro Sessel 2000 Personen pro Stunde zu neuen Pisten wie Crags, Kemmerer Run und Wide Open befördern. Dieses gut 80 Hektar große, neue Terrain besteht zum Teil aus präparierten Pisten und ist leichter befahrbar als die anderen Pisten, die technisch ausgereifte Ski-Techniken erfordern und für die Jackson Hole berühmt geworden ist.
                            Der lokale Skifahrer Tigger Knecht testet das neu eröffnete Terrain, indem er die steile, einen Höhenunterschied von 915 m überwindende Piste Kemmerer Run mit voller Geschwindigkeit hinuntersaust
Der lokale Skifahrer Tigger Knecht testet das neu eröffnete Terrain, indem er die steile, einen Höhenunterschied von 915 m überwindende Piste Kemmerer Run mit voller Geschwindigkeit hinuntersaust
Aber ein Grund zur Besorgnis – oder zur Freude, je nachdem, auf welcher Seite des Berges man Ski fährt – ist, dass der Teton Lift wagemutige Skifahrer in der Nähe des Granite Canyons ablädt, einem gefährlichen unerschlossenen Gebiet, das von der Pistenrettung nicht überwacht wird. Obwohl das Resort eine Berme gebaut und gut sichtbare Warnschilder mit Aufklärung über die Risiken aufgestellt hat, werden abenteuerlustige Skifahrer, die den steilen vertikalen Hang bis zum Zugangspunkt auf sich nehmen wollen, nicht davon abgehalten. Immerhin ist es genau diese, vom Pioniergeist inspirierte „Leben-und-leben-lassen-Einstellung“ , die Jackson Hole zu einem Lieblings-Skigebiet für professionelle Snowboarder wie Travis Rice macht, der eine Entwicklung vom lokalen Talent zu einem modernen Free-Riding-Phänomen hingelegt hat.
                            Für Stärkung sorgen allerlei Restaurants und Lokale – von Delikatessen an der Tankstelle bis hin zu preisgekröntem lokalem Whiskey
Für Stärkung sorgen allerlei Restaurants und Lokale – von Delikatessen an der Tankstelle bis hin zu preisgekröntem lokalem Whiskey

Auch abseits der Pisten gibt es viel zu entdecken. An einem Ort an dem „Après“ so wichtig ist wie hier, stehen Besuchern zahlreiche neue Möglichkeiten zur Verfügung, um sich nach ihrem hundertsten – oder ersten – Tag auf der Piste zu entspannen. Spur ist ein schickes Lokal mit Bar und Restaurant, das Skuna-Bay-Lachs, Büffelrippchen und Kobe-Steaks serviert, während das kleine Bin22mit Gerichten im Tapas-Stil und einer hervorragenden Weinkarte aufwartet. Das in einer Tankstelle am Rande von Teton Village untergebrachte Bodega, bietet eine Reihe ausgeklügelter Road-Trip-Favoriten wie Charcuterie aus dem Delikatessenladen The Meatery. Die süchtig machenden Frozen-Cocktails mit der Bezeichnung Sloshies sind ein Muss, wenn man nichts gegen ein wenig Kältekopfschmerz hat (und nicht Auto fahren muss). Sie können sich aber auch im Wyoming Whiskey, aufwärmen, einer lokalen Destilliere, deren Bourbon dank der Bemühungen der legendären Nancy „The Nose“ Fraley hohe Noten erhält.

                            Das im Sommer 2015 eröffnete Hotel Jackson bietet luxuriöse Unterkünfte im Herzen von Jackson Hole
Das im Sommer 2015 eröffnete Hotel Jackson bietet luxuriöse Unterkünfte im Herzen von Jackson Hole

Nach einem Tag Skifahren, Essen und Trinken bietet das Hotel Jackson–unweit des Zentrums gelegen – die nötige rustikal-edle Ausstattung: recyceltes Holz, mit Fell bezogene Stühle und kunstvoll mit Perlen verzierte Kopfdekorationen der amerikanischen Ureinwohner, die neben Tierkunstwerken die Wände zieren. (Und nicht zu vergessen: Die Zimmer verfügen über Kamine, die wunderbar zu einem Schlummertrunk Wyoming Whiskey passen.) Schlafen Sie sich gut aus, der Teton Lift öffnet am nächsten Morgen um Punkt 9 Uhr.

Suzanne Gannon ist eine preisgekrönte Journalistin, deren Arbeiten bereits in Town & Country, der New York Times und dem Wall Street Journal veröffentlicht wurden.
  • FOTO VON JIMMY CHIN
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